RHEINISCHE POST, 19. Februar 2022


Die Gemeinschaftsunterkunft am Küvenkamp: Wegen eines Wasserschadens können sechs der 24 Wohneinheiten zurzeit nicht benutzt werden. 
RP-Foto : oo

Wohnungen müssten nach dem Auszug von Migranten teilweise erst aufwendig saniert werden, hatte die Verwaltung erklärt. Daran gibt es Kritik von Bürgern, aber auch aus der Politik. Und daran, dass in der Gemeinschaftsunterkunft ein Wasserschaden noch nicht repariert wurde. VON MARKUS WERNING

 

XANTEN Der Xantener Sozialausschuss hat sich am Donnerstag mit der Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt befasst. In der Einwohnerfragestunde zu Beginn der Sitzung äußerten Bürgerinnen und Bürger Kritik an der Verwaltung. Hintergrund ist ein Wasserschaden in der Gemeinschaftsunterkunft am Küvenkamp. Dadurch stehen sechs der 24 Wohneinheiten seit 2019 nicht zur Verfügung, sodass die geflüchteten Menschen auf weniger Platz verteilt werden müssen. Mehr als ein dreiviertel Jahr lebten zum Beispiel zwei Familien zusammen in einer Wohneinheit auf knapp 56 Quadratmeter. Dazu stellten die Bürgerinnen und Bürger Fragen, aber auch zu einer Äußerung der Verwaltung, wonach Wohnungen teilweise erst aufwendig saniert werden müssten, wenn geflüchtete Menschen darin gewohnt haben. Wir fassen die Debatte im Ausschuss zusammen. 

Wasserschaden Seit mehr als eineinhalb Jahren ist ein Viertel der Gemeinschaftsunterkunft am Küvenkamp wegen des Wasserschadens nicht bewohnbar. Warum seien die sechs Wohneinheiten nicht schon längst saniert worden, wollte Richard Lipp wissen. Bürgermeister Thomas Görtz erklärte, dass es in der Heizungsanlage einen Leckage-Schaden gebe. Die Stadt führe deshalb eine rechtliche Auseinandersetzung, um die Schuldfrage zu klären. Mit wem die Stadt darüber streitet, sagte Görtz wegen des laufenden Verfahrens nicht. Solange aber das gerichtliche Beweissicherungsverfahren laufe und ein von beiden Seiten anerkannter Gutachter den Wasserschaden nicht untersucht habe, „würden wir eventuell Beweise vernichten“, wenn die Stadt die Wohneinheiten sanieren würde. Nähere Angaben könne er wegen des laufenden juristischen Verfahrens nicht machen. Ein Fehlverhalten eines Bewohners liege aber nicht vor.

Abgeschlossenes Zimmer Die beiden Familien, die monatelang zusammen lebten, litten unter den engen Verhältnissen und auch darunter, dass sie keine Privatsphäre hatten. Die Wohneinheit besteht aus zwei Zimmern (jeweils 14 Quadratmeter), einem Aufenthaltsraum mit Küchenzeile, einem Bad und einem WC. Vor etwa zwei Wochen durfte eine der beiden Familien in eine eigene Wohneinheit umziehen. Dort darf sie aber nicht die komplette Fläche nutzen. Das zweite Zimmer wurde abgeschlossen. Warum? wollte Shahin Shabani wissen. Die Räume würden zurückgehalten, falls Xanten weitere geflüchtete Menschen zugewiesen bekomme und dann Platz brauche, sagte Michael Verhalen, Leiter des Fachbereichs Soziales und Beratung. „Wir müssen mit Blick auf zukünftige Zuweisungen Kapazitäten vorhalten.“ Deshalb sei ein Zimmer abgeschlossen worden. „Aber zumindest sind sie von der anderen Familie getrennt.“ Görtz ergänzte: Wenn die Familie zunächst beide Räume nutzen dürfe, aber dann ein Zimmer wieder abgeben müsse, „dann erklären Sie der Familie, dass sie wieder zurück muss, weil eine andere Familie kommt, das gibt doch nur Probleme“.

Mobile Wohncontainer Wolfgang Schneider vom Arbeitskreis Asyl bezeichnete den aktuellen Zustand an der Gemeinschaftsunterkunft als „unzumutbar“. Er fragte, ob die Verwaltung über Alternativen für eine Unterbringung nachdenke, solange der Wasserschaden nicht behoben sei. Die Stadt könne zum Beispiel mobile Wohncontainer beschaffen. Görtz antwortete, dass die Verwaltung eine andere Lösung vorschlage, um den aktuellen Engpass zu entschärfen: die Anmietung von Wohnungen. Im Entwurf für den Haushaltsplan ist dafür auch schon Geld eingeplant worden. Demnach will die Stadt weitere zehn Wohnungen für geflüchtete Menschen mieten. Dadurch könne Xanten auch das Prinzip des dezentralen Wohnens stärken, „was der Integration dient“, sagte Görtz. „Wir halten nichts davon, weitere Konzentrationen vorzunehmen, also an bestimmten Punkten sehr konzentriert Menschen unterzubringen.“ Die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Wohnungen habe sich „durchaus bewährt“.

Renovierungsbedarf Die Fraktion Forum Xanten (Fox) hatte vorgeschlagen, dass geflüchtete Menschen kurzfristig in den städtischen Ferienwohnungen untergebracht werden könnten, solange in der Gemeinschaftsunterkunft nicht genug Platz sei. Die Verwaltung sprach sich dagegen aus – aus mehreren Gründen: Viele Ferienwohnungen seien „über das Jahr bereits vermietet“, sie könnten nicht mehr touristisch vermarktet werden, wenn geflüchtete Menschen einzögen. „Zudem sind erfahrungsgemäß Wohnungen nach entsprechender Nutzung zur Unterbringung von Flüchtlingen teils aufwendig zu renovieren.“ Vor allem diese Aussage rief Kritik hervor. In Gesprächen mit der Redaktion sagten Bürger, dass dadurch geflüchtete Menschen pauschal schlecht dargestellt würden. Im Ausschuss wollte Schneider wissen, ob der Bürgermeister bei dieser Äußerung bleibe. „Natürlich bleibe ich dabei“, sagte Görtz. Es sei ihm „vollkommen bewusst“, dass die Aussage „vielleicht durchaus Reaktionen“ hervorrufe. „Aber es ist und bleibt die Wahrheit.“ Das habe nichts mit der Herkunft der Menschen zu tun. Aber es sei „einfach Fakt“, dass die Stadt „häufig“ Wohnungen, wenn geflüchtete Menschen auszögen, erst „mit einem hohen finanziellen Aufwand“ wieder herstellen lassen müsse, „um sie wieder vermietungsfähig zu machen“. Das würde er aber genauso sagen, wenn es sich um Deutsche „oder wen auch immer“ handeln würde. „Es ist nun einmal so.“ Der Fox-Fraktionsvorsitzende Tanko Scholten kritisierte diese Aussage. Damit werde „verallgemeinernd“ über geflüchtete Menschen gesprochen. „Ich lehne diese Wortwahl ab“, sagte Scholten. „Man muss differenzieren.“ Sein Vater vermiete Wohnungen. „Da gibt es sehr unterschiedliche Erfahrungen, sowohl mit deutschen, als auch mit geflüchteten Menschen.“ Der CDU-Fraktionsvorsitzende Pankraz Gasseling antwortete darauf, dass in der Sitzung „viel Negatives“ zu hören sei, deshalb wolle er betonen, dass in Xanten viele Menschen – hauptamtlich und ehrenamtlich – „gute Arbeit“ für die Geflüchteten leisteten. „Es ist nicht so, dass Asylbewerber schlecht in Xanten behandelt werden.“

Gemeinschaftsunterkunft Diskutiert wurde auch darüber, ob mehr geflüchtete Menschen in Wohnungen untergebracht werden könnten. Es wäre „die bessere Alternative zur Gemeinschaftsunterkunft“, sagte Ulrich Schönhoff. Die Regel sei, dass die geflüchteten Menschen zunächst in den Gemeinschaftsunterkünften untergebracht würden, sagte Görtz. „Wir können nicht alle direkt von Beginn an in Wohnungen unterbringen.“ Der Aufenthalt der geflüchteten Menschen in Deutschland sei erst einmal befristet. Wie lange ein Asylverfahren dauere und wie es ausgehe, sei unklar. Die Unterkunft am Küvenkamp habe den Zweck, die geflüchteten Menschen „ordentlich, menschenwürdig, aber auch für die Stadt wirtschaftlich“ unterzubringen. „Dafür haben wir sie gebaut.“ Die Anlage habe knapp vier Millionen Euro gekostet. „Es kann nicht sein, dass wir eine Unterkunft, die für 180 Menschen konzipiert ist, wissentlich mit nur der Hälfte besetzen, weil es vielleicht dann angenehmer ist.“ Dafür habe der Stadtrat nicht beschlossen, für den Bau der Unterkunft das Geld auszugeben. Wenn darüber hinaus Wohnraum angemietet würden, „muss man das dem Steuerzahler auch sehr gut erklären“.

INFO

Familien sollen eigene Wohneinheit bekommen
Stellungnahme Auf Nachfrage der Redaktion am Freitag bekräftigte Michael Verhalen, Leiter des Fachbereichs Soziales und Beratung in der Xantener Stadtverwaltung: „Wir werden auch zukünftig, wie in der Vergangenheit, eine möglichst großzügige Belegung der uns zur Verfügung stehenden Wohneinheiten vornehmen.“ Dabei berücksichtige die Verwaltung die unterschiedlichsten Fallkonstellationen und Bedürfnisse der Bewohner. „Gleichwohl müssen wir auch Reserven vorhalten, um neue Zuweisungen unterbringen zu können, oder auf besondere Situationen wie häusliche Gewalt zu reagieren.“ Es werde nicht immer möglich sein, mit den zur Verfügung stehenden Wohneinheiten allen Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner nachzukommen. „Wir werden nach wie vor versuchen, Familien und anderen Bedarfsgemeinschaften eine eigene Wohneinheit zur Verfügung zu stellen.“ Ein zusätzliches Problem liege darin, dass Personen in den Unterkünften wohnten, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance hätten, eine eigene Wohnung zu bekommen. Diese normale Entlastung sei zurzeit nicht gegeben, da der soziale Wohnungsmarkt stark zurückgegangen sei.

https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/xanten-stadt-bleibt-bei-umstrittener-aussage-zu-fluechtlingen_aid-66367141 

Dieses Projekt wird im Rahmen des Förderprogramms 
„KOMM-AN NRW“ finanziert

 www.mkffi.nrw

 

 

 

Eine-Welt-Gruppe
Xanten e.V.
 
Arbeitskreis Asyl
 
Sparkasse am Niederrhein
DE46 3545 0000 1150 0200 87